6.2. Das Schlussbilanzkonto gibt es seit über 30 Jahren nicht mehr!

 

Auf der Startseite des BWL-Portals wird folgender Witz zitiert: Die ersten amerikanischen Astronauten landen auf dem Mond. Als sie aus der Mondlandefähre aussteigen kommt eine Gruppe älterer Männer auf sie zu. Erstaunt fragen die Astronauten, wer sie seien. Darauf antwortet einer: „Wir sind deutsche Professoren. Wir leben schon lange hinter dem Mond!“

Die typische Laufbahn eines Professors führt über die Stationen Assistent, Doktorant, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent weit an der Berufspraxis vorbei. Die Päpste einzelner Disziplinen und Themenbereiche können dann genauso weltfremd werden wie die Päpste im Vatikan und in ihren Standardwerken und Lehrbüchern das herunterbeten, was sie selbst einst im Studium gelernt hatten. Verändert sich die Realität leben auch diese angesehenen Professoren hinter dem Mond.

Im Jahre 1494 hat Luca Paccioli, ein enger Freund Leonardo da Vincis, in Florenz eine Beschreibung über die venetianische Buchführung veröffentlicht, was heute als Geburt der doppelten Buchführung gilt. Sie wurde aber schon 1340 in Genua verwendet, weshalb die Methode deutlich älter sein muss. Nach dieser Methode wurden Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung auf Konten als Teil der Buchführung organisiert. Bestandskonten wurden auf ein Schlussbilanzkonto und Erfolgskonten auf ein Gewinn- und Verlustkonto umgebucht. In den 1930er Jahren wurde ein Konzept entwickelt, mit dem auch die Kosten- und Leistungsrechnung auf Konten geführt werden und über ein Betriebsergebniskonto und ein neutrales Ergebniskonto abgeschlossen werden sollten. Dieser Ansatz wurde Ende der 1950er Jahre als zu arbeitsintensiv bewertet und wieder aufgegeben. Trotzdem finden sich in vielen Kostenrechnungslehrbüchern Ausführungen zum Betriebsergebniskonto und es ist erkennbar, dass die Autoren vom dem historischen Kontext keine Ahnung hatten.   

Seit in den 1980er Jahren die Computer in den Büros Einzug gehalten haben sind auch Schlussbilanz- und G+V-Konto verschwunden. Konten werden nicht mehr abgeschossen; statt dessen wird für ein neues Buchungsjahr einfach ein neues Unterverzeichnis mit leeren Konten erstellt. Nur für Bestandskonten werden in einer für manuelle Buchungen gesperrten Periode 0 automatische Eröffnungsbuchungen mit dem Endbestand des Vorjahres und der Gegenbuchung im Gewinnvortrag erzeugt.

Diese Entwicklungen sind in vielen Lehrbüchern aber nicht angekommen und die BWL-Absolventen, die mit ihrem veralteten Wissen einen Berufseinstieg im Rechnungswesen wagen, machen sich vor den Praktikern lächerlich.