4.2. Entscheidungsfindung

  

In der Steuerung eines Unternehmens ist es eine ständig wiederkehrende Aufgabe, Entscheidungen zu fällen. Sie wirken sich auf die Zukunft aus, basieren aber auf Informationen aus der Vergangenheit. Die Entscheidungsfindung sollte möglichst strukturiert erfolgen und soweit wie möglich von irrationalen Einflussfaktoren frei sein. Sie erfolgt in den Stufen „wollen – können – dürfen“ nach dem folgenden Ablaufplan aus 8 Ja-Nein-Fragen:

 

Abb. 50: Entscheidungsfindung

 (Quelle: eigene Darstellung)

 

Die letzte Frage (Würden wir erwischt?) mag noch mit der Frage kombiniert werden, ob sich das Risiko auch lohnt. Hier können Moralvorstellungen noch die Bewertung verschieben. Viele spektakuläre Fälle (z.B. Bankenkrise, VW-Abgastests, Panama-Papers) haben aber gezeigt, dass die bloße Illegalität bestimmter Aktivitäten für die Wirtschaft kein hinreichender Grund ist, sie zu unterlassen. Schon 1867 analysierte Karl Marx in „das Kapital“: „Mit entsprechendem Profit wird Kapital kühn. Zehn Prozent sicher, und man kann es überall anwenden; 20 Prozent, es wird lebhaft; 50 Prozent, positiv waghalsig; für 100 Prozent stampft es alle menschlichen Gesetze unter seinen Fuß; 300Prozent, und es existiert kein Verbrechen, das es nicht riskiert, selbst auf Gefahr des Galgens.“ (Karl Marx, Das Kapital Bd. 1, 4. Aufl., Hamburg 1890, zitiert nach: Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED, Marx-Engels-Werke (Hrsg.), Band 23, Berlin/DDR 1962, S. 788) In der 68er Generation formulierte man weniger vorwurfsvoll: „legal? illegal? scheißegal!“ (siehe auch http://prof-dr-mueller.jimdo.com/thema/funktionieren-hochschulpr%C3%BCfungen-wie-vw-abgastests/)

  

Die wichtigsten Abwägungen finden bei der Frage „wollen“ statt. Die können in 3 Gruppen unterteilt werden:

 

Chancen – Risiken

Es gibt das plattdeutsche Sprichwort: „Wat de Buer nich kennt, dat frett he nich!” (was der Bauer nicht kennt, dass isst er nicht). Es wird im plattdeutschen Sprachraum (auch von hochdeutschen Native-Speakern) nicht nur für unbekantte Speisen sondern generell verwendet, wenn jemand seine persönliche Misstrauen gegenüber Neuem ausdrücken will. Es gibt danach also eine grundsätzliche Skepsis gegenüber Neuerungen, die nicht unbegründet ist. Die aktelle Situation mag verbesserungsfähig sein, aber sie funktioniert wenigstens – vielleicht mehr schlecht als recht. Neuerungen haben aber immer das Risiko, dass sie nicht funktionieren.

  

Es sind also die Chancen der Verbesserung mit den Risiken des nicht Funktionierens oder des Eintretens von Schäden abzuwägen. Die Bewertung von Chancen wie Risiken ist das Produkt aus der Multiplikation von dem Umfang des erhofften Nutzens bzw. befürchteten Schadens mit der Wahrscheinlichkeit des Eintritts. Existenzielle Risiken würde man aber auch dann nicht eingehen (und auf Chancen verzichten), wenn die Eintrittswahrscheinlich-keit gering ist.

  

Vorteile – Nachteile

Die Abwägung von Vor- und Nachteilen beruht im Gegensatz zu Chancen und Risiken auf gesicherten Informationen; sie haben also eine Eintrittswahrscheinlichkeit von 100 %. Sie müssen nicht auf gleichen Ebenen liegen und sind oft nicht vergleichbar (z.B. besserer Bedienkomfort bei geringerer Leistung unter Berücksichtigung der Frage, wie oft die Höchstleistung wirklich gebraucht wird). Bei der Abwägung vor Vor- und Nachteilen müssen deshalb meistens individuelle Bewertungsmuster mit Gewichtungsfaktoren entwickelt werden.

  

Kosten – Nutzen

Kosten und Nutzen – sind meistens in Geldeinheiten – bewertete Vor- und Nachteile. Hier geht es hauptsächlich daraum, Kosten und Nutzen vollständig zu erfassen und z.B. Folgekosten nicht zu vergessen.

  

Die Frage nach „können“ ist hauptsächlich eine Bestandsaufnahme der eigenen Möglichkeiten und ein darauf aufbauender Vergleich mit den Anforderungen des zu prüfenden Vorhabens. Auf diese Prüfung kann natürlich verzichtet werden, wenn es bei der Frage „wollen“ schon verworfen wurde.

  

Die Frage „dürfen“ stellt sich erst am Ende, wenn sich die Undurchführbarkeit wegen offensichtlicher Illegalität nicht von vornherein aufdrängt. Anders als Juristen, die von einem gegebenen Sachverhalt in der Vergangenheit ausgehen, gestalten BWLer Sachverhalte der Zukunft. Wenn Hürden nicht mit der Beantragung einer Genehmigung und Erfüllung geringer Auflagen ohne Mühe genommen werden können, wären hier verschiedene rechtliche Gestaltungen durchzuspielen.

  

Wenn der Gesetzgeber einen Weg öffnet, will er, dass er auch benutzt wird. Wenn er einen Weg nicht verschließt, muss er damit rechnen, dass er auch benutzt wird. Manager gehen oft an die Grenze des Erlaubten und testen manchmal aus, wie weit ein Überschreiten der Grenze noch toleriert wird. Wenn dann Kontrollen fehlen und Grenzüberschreitungen folgenlos bleiben, wird dieser Weg fortgesetzt. Wenn irgendwann jemand zufällig auf illegale Gestaltungen aufmerksam wird, fehlt es bei den Verantwortlichen am Unrechtsbewusstsein.